Montag, 8. April 2013

Rekonstruktion einer Haithabu-Untertunika (Teil 2)

Liebe Leser,

lange ist hier auf diesem Blog nichts mehr passiert, was vor allem daran lag, dass Fjoergyn und ich für ein halbes Jahr durch Asien gereist sind und somit das Reenactment-Hobby erstmal auf Eis lag.
Nun sind wir aber endlich wieder zurück und möchten natürlich weiterhin mit Euch unsere Erfahrungen und Ergebnisse austauschen - es geht also wieder los!

Den Anfang macht ein Artikel, der, wie ich weiß, schon sehr lange von vielen ertwartet wird. Schon vor über einem Jahr habe ich mit der Recherche- und Rekonstruktionsarbeit zu einer Untertunika nach dem Fundkomplex aus Haithabu begonnen (zu lesen hier). Inzwischen ist sie fertig und ich will Euch das Ergebnis nicht vorenthalten.

Zunächst jedoch einmal: Asche auf mein Haupt! Eigentlich hatte ich geplant, den Stoff für die Tunika von Hand auf meinem Gewichtswebstuhl zu weben. Allerdings hat sich schon beim Aufschären der Kettfäden gezeigt, dass das von mir gewähte Garn leider völlig unbrauchbar war und viel zu schnell riss. Also habe ich mich doch für einen maschinell gewebten Wollstoff in Leinwandbindung entschieden. Dabei achtete ich darauf, dass dieser in Fadenstärke mit den Textilfragmenten aus dem Fundkomplex übereinstimmten, also je 10 Kett- bzw. Schussfäden auf 1cm Breite. Dieser wurde, wie bereits im ersten Artikel vorgeschlagen, mit Walnussschalen braun gefärbt und anschließend zugeschnitten. Vernäht wurde sie mit gezwirntem Wollgarn.


Die fertige Tunika (ungebügelt :-D )


 tiefer, runder Halsausschnitt ohne Schlitz

Bei einem Musterversuch aus günstigem Baumwollstoff musste ich jedoch feststellen, dass der geplante Ärmel nach Fragment 57 in Form und Stil nicht zum gesamten Gewand passte. Während der Oberteil der Tunika eng und körpernah geschnitten ist, stellte sich der rekonstruierte Ärmel als eher weit und schlabberig im bereich der Handgelenke heraus. So entschied ich mich im Sinne der Gesamtoptik für einen fgurbetonenden, trapezförmigen Ärmelschnitt mit leicht bogenförmig eingezogenen Seiten.


 Schnittmuster des Ärmels

Der Rockteil der Tunika wurde wie geplant aus zusammengesetzten Trapezen und Dreiecken konstruiert, inklusive des Tascheneingriffs auf der linken Seite des Schoßes. Die Gesamtlänge des unteren Saums entspricht etwa 2 Metern, was zu einem stark auslaufenden Rockschoß mit guter Bewegungsmöglichkeit fürt. Der Schnitt mit engem Hüftmaß und breitem Abschlusssaum erinnert somit stark an die auf dem Teppich von Bayeux dargestellten Tuniken (wobei es sich dabei sicher um Obertuniken handeln dürfte).



Schoßteil der Tunika


 Tascheneingriff


Tuniken auf dem Teppich von Bayeux

In diesem Sinne, danke für das lange Warten, es wird demnächst wieder häufiger etwas zu lesen geben!

Sven