Donnerstag, 28. Juni 2012

Rekonstruktion der Haithabu-Beinlinge

Eine Frage die sich jeder ambitionierte männliche Wikinger-Reenactor irgendwann einmal stellt ist die nach dem korrekten Beinkleid. Auf Veranstaltungen tragen viele Darsteller eine Pluderhose - teilsweise in sehr abenteuerlichen Konstruktionen und Schnitten (was vor allem daran liegt, dass es mit der Fundlange für die Pluderhose bislang eher mau aussieht).

Doch gerade für Haithabu ist es gar nicht schwer, eine authentische Alternative zu finden. Im Komplex der Textilfunde aus Haithabu findet sich unter anderem ein gut erhaltenes Reststück eines Beinlings/Gamasche (Fragment 2)

Das Beiling-Fragment aus Haithabu. Es wurde vermutlich nach dem das Loch am Knie (unterer Teil) entstand ausgesondert und als Teerlappen weiterverwendet. 
Quelle: Inga Hägg - "Die Textilfunde aus dem Hafen von Haithabu"

Das Fragment besteht aus zwei Teilen (a und b), die mit einer Kappnaht zusammengefügt worden sind. Diese Nahtkonstruktion ist sehr bezeichnend, denn sie kommt in Haithabu ausschließlich bei Beinlingfragmenten vor (es gibt noch weitere). Das verwendete Material ist ein naturbrauner Gleichgratköper 2/2. Der Verlauf der Kettfäden in den Teilen a und b unterscheided sich dabei. Während die Kette im Teil a Quer zur Höhe des Kleidungsstück liegt, verläuft sie in Teil b parallel zur Höhe des Beinlings. Ob das Kleidungsstück ähnlich wie beim Hosenfund von Thorsberg einen Füßling besaß oder am Knöchel gerade abschloss lässt sich heute nicht mehr feststellen.

Am oberen Ende des Fragments, das vermutlich auf der Mitte des Oberschenkels abschloss, wurde ein Lederband angeknüpft. Dieses diente wohl dazu, den Beinling am Gürtel oder der Unterhose (?) zu befestigen, wie es auch in der Mode des hohen und späten Mittelalters der Fall war. Auf der Rückseite des Beins wurde das Kleidungsstück parallel zur Wade mit einem Überwendlichstich zusammengefügt. Der Saum an der Oberkante wurde ebenfalls mit einem Überwendlichstich versäubert. Beim Nähgarn handelt es sich um einen zweifädigen Wollzwirn.

Aus der Beschreibung des Fragments lässt sich somit folgendes Schnittmuster ableiten:



Für meine Rekonstruktion entschied ich mich für einen geraden Abluss des Beinlings ohne Füßlinge. Die Beinlinge stimmen in Material, Webart und -dichte, Nahtkonstruktionen und Nähgarn mit Fragment 2 überein. Das Lederband besteht aus einem Ziegenleder, welches mir der Schuhmacher Snorri Varnarsson vermacht hat. Dieses ähnelt in der Qualität sehr dem zur Wikingerzeit verwendeten Leder.



Nahaufnahme der Nahtkonstruktion von der Rückseite. Deutlich zu sehnen sind hier die Kappnaht (von links oben nach rechts unten) sowie die Außenseite des verbindenen Überwendlichstichs (von links unten nach rechts oben)


Durch die Verwendung des Gleichgratköpers ist das Kleidungsstück sehr elastisch, wodurch es auch beim Knien, Laufen oder in der Hocke immer gut sitzt und nie zwickt.

Es gibt sie also - die authentische Hosenlösung für Männer!

Sven

Sonntag, 24. Juni 2012

Gusstiegel nach Ribe-Fund - ein Rekonstruktionsversuch

Bei Ausgrabungen des ehemaligen wikingerzeitlichen Handelsplatzes Ribe in Dänemark kamen unter anderem auch verlassene Arbeitsstätten des Bronzegusshandwerkes samt Werkzeugen zu Tage.

Die gefundenen Gusstiegel in Ribe zeichneten sich durch ihre runde Form ohne Standboden und einen länglichen Fortsatz aus. Dieser diente wohl dem Bronzegießer als Griff um den heißen Tiegel mit einer Zange leichter aus dem Feuer zu nehmen.

Gusstiegel aus Ribe. Die "Griffe" an der jeweils rechten Seite zeichnen sich deutlich ab.
Quelle: Stig Jensen - "Ribe zur Wikingerzeit"

In einem ersten Rekonstruktionsversuch formte ich meine Tiegel aus schamottiertem Ton über meinem Daumen, anschließend fügte ich den Grifffortsatz an. Nachdem der Ton gebrannt war musste ich bei einer ersten "Zangen-Probe" feststellen, dass die Griffe viel zu spitzkonisch waren, um sie vernünftig mit dem flachen Maul einer Zange zu greifen.

Rekonstruktion der Ribe-Tigel mit unpraktischen Griffstücken.

In einem erneuten Versuch formte ich die Tiegel dann über einem abgerundeten Formholz, was eine gleichmäßigere Wandstärke ermöglichte. Außerdem entschied ich mich, die Grifffortsätze länger und vor allem flach zu modellieren, sodass das Zugreifen mit der Zange leichter von statten gehen kann.

Zweiter Versuch mit schmälern Griffen. Auch die Rundungen entsprechen nun eher dem Ribe-Vorbild. Die Tiegel auf dem Bild sind noch nicht gebrannt, daher die gelbliche Farbe.

Diese Rekonstruktionen werden demnächst im Einsatz getestet, ein Erfahrungsbericht wird dann hier zu lesen sein.

Sven

Mittwoch, 20. Juni 2012

Wikingerzeitliche Bronzegussöfen

Es ist schwierig, im Internet vernünftige Quellen bzw. Informationen zur Konstruktion von frühmittelalterlichen bzw. wikingerzeitlichen Bronzegussöfen zu finden. Auch ich musste das meiste aus begangenen Fehlern und der daraus gewonnenen Erfahrung lernen.

Doch zunächst einmal: was sagt die Archäologie? Um eines gleich vorweg zu nehmen: in Haithabu wurden bislang keine kompletten Werkstätten bzw. Schmelzöfen entdeckt, sodass sich hierfür keine Rückschlüsse über deren Konstrutkion ziehen lassen. Aus dem völkerwanderungszeitlichen Siedlung von Helgö, welches unweit des wikingerzeitlichen Birkas gelegen ist und dessen Handwerksbetriebe von ca. 500 bis 800 n. Chr ihre Hochzeit erlebten, sind Funde von Gebläseschutzdüsen aus Ton und Lehm bekannt. Diese dienten wohl dazu, den Luftstrom der Blasebalge direkt in die Mitte des Ofens leiten, um eine größtmögliche Hitzeverteilung zu ermöglichen.

Auch ganze Ofenkonstruktionen findet man in Helgö vor. Sie sind überraschend simpel Konstruiert, bestehen sie doch nur aus einer kleinen Erdgrube, je ca. 10 cm breit, tief und hoch, die mit Steinen ausgekleidet ist und in die eine der besagten Düsen führt: 


Rekonstruktionszeichnung eines Schmelzofens von Helgö. Das dunkle Objekt a stellt einen Gusstiegel dar, bei b und c handelt es sich um die Düsenkonstruktion. Quelle: http://web.comhem.se/vikingbronze/casting.htm


Anhand der Helgö-Funde begann ich nun einfache Schmelzöfen zu rekonstruieren. Bei der Konstruktion der Düsen versuchte ich mich sowohl an den geraden Ton-Düsen aus Helgö, sowie auch an wasserhahnförmigen Düsen, wie sie schon zur frühen Bronzezeit Verwendung fanden (zugegebener Maßen nicht wikingerzeitlich!).


Und weil es an dieser Stelle gerade passend ist, eine von meiner Sippenschwester Thordis getöpferte Düse, angelehnt an ein historisches Original:


Die Düsen werden mit dem Blasebalg-Paar verbunden und in die Herdgrube geführt. Danach wird die Düse eingegraben, um den Kontakt des ledernen Verbindungschlauchs mit dem Feuer des Ofens zu vermeiden. Nun kann der Ofen angefeuert werden.



Der Durchmesser dieses Ofens beträgt gerade einmal 15cm. Dennoch dauerte das Schmelzen eines Tiegels gefüllt mit Messingstücken gerade einmal 15 Minuten.



Die Hitze des Ofens ist so stark, dass die Tondüsen nach mehreren Schmelzvorgängen auf der Oberfläche verglasen und rissig werden. Ist der Ton abgemagert bzw. schamottiert, lassen sich die Düsen etwa 2 Stunden lang verwenden bis sie unbrauchbar werden. Bei einem fetteren Ton ist die Lebensspanne deutlich kürzer. Die Düsenstücke müssen also ein Verschleißgegenstand gewesen sein.


deutliche Verglasungsspuren an den Düsenstücken


Sven

Montag, 18. Juni 2012

Neues Eigenheim

nachdem wir die letzten Jahre mit unserem selbstgebastelten Osebergzelt unterwegs waren und die vielen Lager schon diverse Spuren an ihm hinterlassen haben, stand nun endlich der "Umzug" in ein neues Zelt bevor.

Zu Neustadt-Glewe haben wir von der russischen Reenactmentgruppe Silverwolfs ein Normannenzelt geliefert bekommen, dass von der Größe her fast Loft-Charakter hat :-)


Was uns an unserem Osebergzelt immer störte war die nicht vorhandene Möglichkeit, Klamotten und andere Dinge im Zelt aufzuhängen. Deshalb haben wir für die Stützstangen unseres neuen Zeltes kleine, steckbare Kleiderhaken aus zurecht geschnitzen Ästen gebastelt.



Welche mitunter sehr...unterhaltsame... Formen annahmen *hüstel*


Wir freuen uns schon auf die zukünftigen Lagern in unserer neuen Wiki-Villa!

Sven

Von Bronze und Messing – zur Metallurgie in Haithabu

Spricht man heute von Bronze, so ist meist eine Metalllegierung mit einem Anteil von 90-95% Kupfer und entsprechend 5-10% Zinn gemeint.

Beim experimentellen Bronzeguss mit diesen Bronzemischungen ist mir sehr bald das relativ schlechte Fließverhalten dieser Legierungen aufgefallen: flüssige Bronze ist verhältnismäßig zähfließend, was dazu führt, dass sie teilweise schon erstarrt bevor sie komplette Form ausfüllen kann. Im heutigen modernen Bronzeguss verwendet man deshalb Flussmittel wie Borax um das Fließverhalten der Bronze zu verbessern. Doch wie wurde das vor 1000 Jahren gemacht?

Diese durch meine gemachten Erfahrungen aufgeworfenen Fragen bewegten mich zu Nachforschungen nach den zur Wikingerzeit tatsächlich verwendeten Metallen und Legierungen. Hans Drescher berichtet in seinem Aufsatz „Metallhandwerk des 8.-11. Jahrhunderts in Haithabu auf Grund der Werkstattabfälle“ auch über das in den Werkstätten gefundenes Rohmaterial in Form von Metallbarren. Diese Bestanden neben Gold und Silber überraschender Weise ausschließlich aus Messing- und Messing-Blei-Legierungen. Messing ist ein Metallgemenge aus Kupfer und Zink mit einer niedrigeren Viskosität als Bronze, d.h. es fließt viel leichter. Durch Hinzugabe von Blei kann dieses Fließverhalten noch weiter verbessert werden.

Über die genaue Zusammensetzung der Messingbarren lässt Drescher den Leser im unklaren. Der Archäologe Anders Söderberg, der sich in seiner Forschung auf wikingerzeitlichen Bronzeguss spezialisiert hat, klärt glücklicher weise auf seiner Webseite über die genaue Zusammensetzungen der Messinglegierungen auf:

„Pure copper-zinc alloys were rarely used in Migration- Viking- and Early Middle Age Scandinavia. There often was an adding of tin or lead (Pb) or both. A correct English terminology for these alloys, would be gunmetal (brass + Sn) leaded brass (brass + Pb), and leaded gunmetal (gunmetal + Pb). Modern analyses of Scandinavian Early Middle Age bronzes show, in their most homogenous results, alloys of Cu + c. 10-25 % Zn and c. 5-15 % of Sn/Pb. We can see, in analyses, a slight pattern of moving towards leaded gunmetal’s, with an increasing addition of Pb during Viking Age“

Quelle: http://web.comhem.se/vikingbronze/casting.htm

Betrachten wir also den wikingerzeitlichen Bronzeguss, so müssten wir unter heutigen Gesichtspunkten eigentlich von Messingguss sprechen!

Sven

Mittwoch, 6. Juni 2012

Erfolgreicher Bronzeguss in Neustadt-Glewe!

Zum dritten male waren wir mit unserer Sippe Hrafns-Skari zum alljährlichen Burgfest in Neustadt-Glewe angereist. Die Veranstaltung ist eine der schönsten und hochwertigsten Reenactmentveranstaltungen Deutschlands und somit der perfekte Ort um der Rekonstruktion alter Handwerkstechniken zu frönen.

Sven nutzte diese Gelegenheit um seinen verbesserten Bronzegussofen anzuwerfen und siehe da - es klappte! Nach anfänglichen Startschwierigkeiten und ausgedehnten Diskussionsrunden, was man optimieren könnte, gelang es uns dann tatsächlich mehrmals die Bronze zu Schmelzen und zu Gießen.


Sven beim betätigen der Blasebalge. Rund 20-30 Minuten pumpen pro Schmelzvorgang gingen teilweise ganz schön in Arme und Rücken.


Gerade bei Dunkelheit schien einem das glühende Orange der Hitze fast unwirklich


Viele neugierige Blicke und angenehme Gesellschaft machten das Gießen zu einem Event für das ganze Lager!


Farbenpracht!


An dieser Stelle vielen Dank an die zahlreichen Helfer, die beim Befüllen des Ofens mit Kohle sowie beim Ausgießen der Bronze mitgearbeitet haben. Auch wenn die Ergebnisse bislang "nur" einfache, unförmige Bronzebarren sind, so sind wir sehr zufrieden mit den Experimenten am Wochenende!

Vielen Dank auch an unsere Sippenschwester Asrun für die tollen Fotos!